Franz Kafkas sogenannter «Brief an den Vater» ist das ausführlichste und bedeutendste autobiografische Zeugnis, das der weltberühmte Prager Dichter der Nachwelt hinterlassen hat. Er selbst nannte die mehr als hundert handbeschriebenen Seite nur den «Riesenbrief». Kafka war bereits 36 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seines literarischen Schaffens, als er Ende 1919 daran arbeitete – in dem verzweifelten Versuch, einer von Schmerz, Furcht und Distanz geprägten Vater-Sohn-Beziehung ein Gerüst aus nüchternen Worten zu bauen. Der Versuch scheiterte: Franz Kafka starb knapp fünf Jahre später, ohne dass er den Brief abgeschickt oder seinem Vater übergeben hatte.